Angi Aicher hat als Make-up Artist und Hairstylist Promis, Models und bereits unzählige Kundinnen geschminkt.
Als ausgebildetete Drogistin ist sie auch seit Jahren in der Beratung einer der exklusivsten Parfümerien Deutschlands tätig und arbeitet mit allen internationalen Top-Nischenmarken und kleinen feinen Geheimtipps direkt von den Herstellern.
Und: Sie ist einer der größten Seifen-Fans, die wir jemals kennen gelernt haben.
Angi, warum hat Seife ein so negatives Image?
Bis in die 70er Jahre gab es nur Seife. An jedem Waschbecken lag die gute Fa oder Lux, für die Badewanne gab’s Kordelseifen zum Hinhängen. Nachdem man sich damals nicht so intensiv und oft gewaschen hat wie heute, war es kein Thema, dass Seife eventuell austrocknen oder reizen könnte. Anfang der 80er begann es dann mit sebaMed. Ich war befreundet mit der Tochter eines Zahnarztes und die Praxen wurden regelrecht geflutet damit, um dem Ganzen den medizinischen Anstrich zu geben. Da tauchte dann auch der ‘Säureschutzmantel’ auf. Der bei pH-Wert 5,5 läge. Babys haben nach der Geburt einen deutlich höheren pH-Wert. Bis zu 8,5, der pH-Wert des Fruchtwassers. Und noch in den 60er Jahren lag der pH-Wert der Haut wohl noch bei 6,0. Übrigens exakt mein Wert. Aber die Marketingkampagne war sehr erfolgreich und seitdem herrscht geradezu Panik, wenn man die böse, alkalische Seife erwähnt.
Es gibt ja große Unterschiede in der Qualität und auch im pH-Wert von Seifen. Man sollte sich jetzt nicht mit der billigen Industrieseife das Gesicht waschen, eigentlich nicht mal die Hände. Aber in den 50er Jahren wurde zum Beispiel Erno Lazlo mit seiner Seifenreinigung der Liebling von Hollywood, Audrey Hepburn schwärmte, er hätte ihre Haut gerettet. Laszlo führte da schon eine heute sogenannte ‘ Double Cleanse ‘ ein. Öl, um Schmutz und Make-up zu lösen und Seife, um das dann abzuwaschen. So bin auch ich zur Seifenreinigung gekommen. Nur habe ich schnell natürliche Öle und Bioseife verwendet. Meine damals noch von Rosacea geplagte Haut hat sich durch Dudu-Osun (Seife aus Asche und Sheabutter) oder Alepposeife (aus Olivenöl und mit Lorbeeröl) deutlich verbessert.
Warum haben sogenannte Syndets, also die flüssigen oder auch festen seifenfreien Waschstücke so ein positives Image?
Jede*r Dermatologe*in betet heute die Ode vom niedrigen pH-Wert5,5 rauf und runter. Was sollen die Leute dann auch denken?
Trocknet Seife die Haut aus?
Jede waschaktive Substanz, ob Seife oder nicht, löst in irgendeiner Form Fette von der Haut. Die Syndets basieren dabei meistens noch auf Sodium Lauryl oder Laureth Sulfat, SLS, die grandiose Entfetter sind. Man kann damit Schiffsrümpfe und Garagenböden von Öl und Schlick befreien. Milder sind da Cocobetaine, aber auf die haben sich schon Allergien entwickelt. In Syndets werden viele Emulgatoren und ein bisschen rückfettende Substanzen zugesetzt. In Seife ist das alles schon drin. Seife entsteht ja durch Öle und Fette, die mithilfe von Lauge verseift werden. Dabei bildet sich unter anderem Glyzerin, eines der besten Hautpflegemittel überhaupt. Glyzerin bindet Feuchtigkeit. In guten Seifen ist auch anderes Öl, das nicht verseift wurde, enthalten. Ja, auch die Reinigungswirkung von Seife beruht darauf, dass Fette und der darin enthaltende Schmutz von der Haut gelöst werden, gleichzeitig pflegt sie aber mit den Bestandteilen schon und liefert Fett und Feuchtigkeit.
Ist Seife unhygienisch?
Kurze Antwort: Nein, dazu gibt es Studien. Bakterien halten sich nicht auf Seife. Und seit Corona wissen wir, dass gerade Seife die Lipidhülle von Viren auflöst und sie so zerstören kann.
Die Frage des Transports
Ich empfehle für Reisen fest schließende Metalldosen. Es gibt auch Seifensäckchen aus Sisal o.ä., in denen die Seife dann im Waschbeutel abtrocknen kann. Mir deutlich lieber als Duschgel, das im Koffer ausläuft.
Angi, warum nimmst Du nur Seife? Für alles?
Ich habe 1985 angefangen mit meiner Drogistenlehre. Da gab es diese ganzen Probleme mit Rosazea, Dermatitis, Ekzemen usw. nur sehr vereinzelt. Inzwischen hat jede dritte Kundin Hautprobleme. Ja, wir waschen zuviel und wir überpflegen die Haut vielleicht auch. Als ich michvor Jahren mit dem Thema Seife intensiver beschäftigt habe, hatte ich im Winter immer Ekzeme in den Armbeugen. Die Theorie, die ich überzeugend finde: wir sind alle durch unseren Lebensstil mit viel Alkohol, tierischen Produkten, Kaffee und Stress vielleicht so übersäuert, dass unsere Haut über den Schweiß auch saurer geworden sein könnte, weil der Körper so versucht die Säuren loszuwerden. Es gibt durchaus Ärzte, die das ähnlich sehen. Ob es wirklich so ist? Unsere Hautbarriere ist wohl durchlässiger als uns lieb ist. Und wenn es denn so wäre, wäre es dann nicht absurd, Säure mit etwas Saurem abwaschen zu wollen? Würde das nicht zu noch mehr Reizungen führen? Wäre eine basische Reinigung, übrigens teuer zu kaufen in Reformhäusern in Form spezieller Waschlotionen, nicht logischer? Ich habe umgestellt. Und keine Ekzeme mehr. Wenn ich hingegen Syndets vom Marktführer verwende, reisst mir nach zweimal Händewaschen die Haut förmlich auf. Nehme ich Flüssig’seifen’, die ja keine sind, muss ich mir zwingend IMMER die Hände eincremen. Mit Seife nicht. Guter Seife. Handgesiedet. Oder überfettete Arztseifen, in denen z.B. Bienenwachs als Schutzfilmbilder enthalten ist.
Und da ist dann noch das Mikrobiom. Abgesehen davon, dass Seife antibakteriell, antiviral und antimykotisch wirkt, unser ganz eigener Mix aus Mikroben, Milben usw. auf unserer Haut ist seit Jahrtausenden an Saponine angepasst. Schon die ersten Steinzeitmenschen kannten wohl Seifenkraut. Was, wenn wir so unfassbar viele Hautprobleme haben, weil die diese ganzen Syndets mit ihren Emulgatoren und Konservierungsmitteln vielleicht unsere kleinen Mitbewohner beleidigen?
Angie Aicher: Jahrgang 1988 Drogistin, 1991 Ausbildung zum Make-up Artist und danach für Filmhochschulen, später Fernsehen als Maskenbildnerin tätig. U.a für Aktenzeichen XY, ungelöst, Versteckte Kamera mit Fritz Egner und später Tommi Ohrner, Lenßen +Partner, K11, Schlagerfernsehen mit Mary Roos, Ireen Sheer, Peter Kraus und und und. Seit 2004 bei Beck, Bloggerin und Beautyredakteurin bei der Ecoenvie